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Gefangen im eigenen Körper

 

Ich ging mit meiner Krankheit noch bis 2002 arbeiten, obwohl ich schon ziemlich angeschlagen war. Am schlimmsten wurde es als mein Tremor anfing, das wovor ich mich am meisten fürchtete, wenn ich Multiple Sklerose Kranke sah deren Hände zitterten.

Ich hatte Probleme meine Tastatur zu bedienen und mein Telefon zu halten. Meine Kollegen mussten mir meinen Tee an den Tisch bringen, weil ich selbst dazu nicht mehr in der Lage war ohne ihn zu verschütten. Es wurde noch viel schlimmer als die Ataxie noch dazu kam. Das hieß also , das ich Zuhause sämtliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, da ich nichts mehr alleine machen konnte. Ich konnte mir nicht einmal mehr die Haare waschen und föhnen oder mich selbständig anziehen und benötigte dabei Hilfe. Man musste mir Frühstück machen und ich musste gefüttert werden, weil ich die Gabel und den Löffel nicht mehr zu meinem Mund führen konnte ohne mich dabei selbst zu verletzen. Ich musste mir von unbekannten Pflegern helfen lassen da niemand aus meiner eigenen Familie die eine Etage tiefer lebte, in der Lage war in so frühen Stunden aufzustehen und mir zu helfen.

Mittlerweile fiel mir das Autofahren schwer ich fing an alles doppelt zu sehen, meine Reflexe ließen nach und ich fühlte mich unsicher. Dies führte dazu das ich mit einem Fahrdienst vom Deutschen Roten Kreuz in das Werk gefahren werden musste. Ich bemerkte das ich immer mehr von meinem Freundschaftskreis ausgegrenzt wurde, weil ich nicht mehr an allem Aktivitäten teilnehmen konnte wie ich es vorher getan habe. Ich war nicht mehr die agile Frau die einst überall mit gemacht hat.

Ich konnte nicht mehr überall hinfahren und nach einiger Zeit setzte der Kummer ein. Dies führte dazu das ich meine Freunde nach und nach vergrault habe, da ich mich bei Ihnen aus heulte und sie mit meinem Kummer überschüttete.

Im Februar 2004 habe ich dann meinen Mann Manfred kennengelernt. Er ist nach einiger Zeit dann bei mir eingezogen und hat mir sehr viel Arbeit abgenommen , zu der ich selbst nicht mehr in der Lage war. Zu dieser Zeit waren wir beide schon im Vorruhestand. Da wir mit der Wohnung im Obergeschoss Ärger gehabt hatten, entschieden wir uns dazu uns auf Wohnungssuche zu machen. Am Tankumsee fanden wir eine wunderschöne ebenerdige Holzhütte mit herrlichen Ausblick auf den Garten. Dort konnte man beobachten konnte wie Vögel in ihrem Vogelhaus ein und auskehrten und dieses sich sogar mit einem putzigen Eichhörnchen teilten. Von so etwas konnte ich in meiner alten Wohnung in Westerbeck nur träumen.

Endlich war alles wunderbar, bis ich dann nach ungefähr 9 Jahren eine Niereninsuffizienz bekam. Nachdem ich schon etliche Krankenhäuser wegen meiner ursprünglichen Probleme besucht hatte . Und seit 2 Wochen entlassen war, musste ich wieder zurück in das Krankenhaus in Hannover, was die Hölle für mich war. Ich war seitdem nicht mehr in der Lage das Bett zu verlassen. Meine Knochen sind steif, meine Muskeln sind hart und verspannt. Ich komme nicht mehr in einen Rollstuhl, kann nicht mehr sitzen. Ich war seit ungefähr 9 Jahren nicht mehr draußen an der Sonne, was zu einem Vitamin D Mangel führte. Meine einzige Unterhaltung ist der Fernseher der 24 Stunden am Tag läuft. Da vieles wiederholt wird, schaue ich mir mittlerweile alles an. Auch wenn es der letzte Schrott ist, Hauptsache etwas Abwechslung damit man etwas Spaß hat. Aber da muss man halt durch. Da Manfred und ich denselben schwarzen Humor haben und wir sehr viel zusammen lachen, halten wir es miteinander aus obwohl wir uns 24 Stunden täglich sehen.

Mein Mann Manfred muss im Grunde alles alleine machen. Er schmeißt den Haushalt, geht einkaufen, kocht und füttert mich. Dann habe ich von der Diakonie zwei feste Pflegerinnen bekommen, weil bei mir so viel zu tun ist. Ich habe darauf bestanden das diese beiden Pflegerinnen mir fest zugewiesen werden, da es schon schwer genug ist sich auf jemanden Fremden einzulassen der einen pflegt. Aber wenn jedes mal jemand neues geschickt wird von den man sich waschen lassen muss, ist das sehr unangenehm. Umso klarer man wieder bei Verstand ist, desto scheußlicher ist das für einen.

Meine zwei Helferinnen Uta und Silvia sind sehr gute Pflegerinnen und mittlerweile haben wir ein freundschaftliches Verhältnis. Aber auch bei ihnen habe ich immer mal wieder Beklemmungen. Ich kann meinen Körper selbst nicht mehr ertragen, mittlerweile ist er doppelt so dick wie er mal war, so das ich meinen eigenen Anblick im Spiegel nicht mehr aushalte. Und die Einsamkeit macht es hart für mich.

Mein Zustand ist einfach zu erklären. Ich bin praktisch halb seitig gelähmt und von der Taille an abwärts kann ich meinen Körper nicht mehr bewegen. Ich kann jedoch immer noch alles spüren, jeden Schmerz jedes Jucken, kann aber eigenständig nichts mehr dagegen machen. Ich habe keinerlei Kontrolle, und kann meine Füße wenn sie Spastiken haben nicht mehr selbständig gerade stellen. Ich liege in einer Position 24 Stunden im Bett und nach und nach werden die Schmerzen immer stärker. Ich brauche mittlerweile 4 Schmerztabletten am Tag ganz abgesehen von den anderen Medikamenten die ich für meine Multiple Sklerose benötige, die ich nicht alle aufzählen möchte. Dadurch ist die Belastung auf die Leber und andere Organe sehr hoch.

So im Bett zu liegen, nicht in der Lage raus gehen zu können und nur Fernsehen zu können, ohne Freunde, ohne Begleitung. Die einzigen Kontakte die ich habe sind wie gesagt, meine Pfleger, Heilpraktiker und Physiotherapeuten sind die einzigen netten Unterhalten die man ab und an hat. Aber bevor ich meinen Mann kennengelernt habe und zum Tankumsee gezogen bin, war es noch schlimmer und vor lauter Einsamkeit kaum auszuhalten. Für mich ist heutzutage die größte Horrorvorstellung das ich wieder in das Krankenhaus muss. Man fühlt sich dort wie das allerletzte, das sie es im Krankenhaus nicht gewöhnt sind mit einen Vollpflegepatienten umzugehen. Die meisten die dort stationiert sind, können sich alleine waschen, sich die Zähne putzen und auf die Toilette gehen. Wenn sie sich dann um einen Vollpflegepatienten kümmern müssen, sind die meisten Krankenschwestern schon allein zeitlich überfordert. Das war zumindest eine meiner vielen Erfahrungen in Hannover oder auch in Göttingen wo mir gesagt wurde das ich nicht so viel essen soll da ich zu dick werde. Was aber nicht bedacht wurde war, das ich jahrelang Cortison Tabletten nehmen musste und Infusionen bekam und das einer der Gründe für meine Gewichtszunahme war. Ganz zu schweigen davon das ich mich nicht bewegen konnte um Kalorien abbauen zu können, somit ist abnehmen für mich unmöglich.

Sicher könnte unter diesen Umständen mein Lebensmut sinken. Daran denke ich aber nicht, ich denke an alles was ich bisher in meinem Leben erlebt habe. An meine schönen Tauchgänge, an die dreihundert Male die ich schwerelos in einer anderen Welt genossen habe. Die Reisen die ich erleben durfte und was ich dort alles erfahren und gesehen habe. Das sind meine Gedanken und nicht das was alles hätte sein können, darüber darf und sollte man auch nicht nachdenken wenn man sich in solch einer Lage befindet. Die Kraft sollte aus Dir selber hervortreten. Ich glaube nicht daran was andere sagen, dass es einen Gott irgendwo gibt der über mich wacht und mich beschützt. Gott ist in mir selbst, es ist die Kraft die mich am Leben erhält und die mir hilft mich durch alles Negative durch zu boxen, was Schmerzen, Krämpfe , Niereninsuffizienz und alles Negative angeht. Ich bin ich selber und nur solange ich noch Lust habe das alles zu ertragen, wird mir nichts passieren. Weil ich einen lieben Mann habe der an meiner Seite ist, geht es mir gut im Verhältnis zu so manchem Elend dieser Welt. Danke!